Für Maria, 85 Jahre, war es damals keine Frage, ob sie für den Einstieg im Improtheater zu alt ist. Sie war interessiert und hat einfach angefangen. Nach einem Anfänger- und dem anschließenden Aufbaukurs war sie Gründungsmitglied der Improtheatergruppe Verspielt, Freiburg, in 2016. In der Gruppe spielte sie bis vor ca. zwei Jahren. Noch heute kommt sie ab und an spontan zum Training, worüber die Verspielt-Mitspieler:innen sich sehr freuen.

Maria, wie bist du zum Improvisationstheater gekommen?

Zum Impro kam ich über etwas ganz, ganz anderes. Und zwar, war ich zu einem Fest eingeladen. Auf dem Fest trat Christian M. Schulz zusammen mit einer Schauspielerin der professionellen Freiburger Theatergruppe FREISTIL auf. Wir Feiernden haben ihnen irgendein Thema (Ort, Gefühl u. a.) gegeben. Die Beiden haben das aufgegriffen und daraus eine Geschichte gemacht. Ich fand es toll, wie sie es gemacht haben. Das hatte mich sehr beeindruckt.

Ich glaube, Christian M. Schulz hatte dort auch Zettel ausgelegt, damit man sich informieren und anmelden konnte… für seine Kurse. Jedenfalls, mich hat es so fasziniert, dass ich gedacht habe, da will ich mal mitmachen. Ich habe dann hingeschrieben. Als wieder ein neuer Improvisationstheater-Kurs anfangen sollte, teilte Christian M. Schulz mir das mit. Dazu meldete ich mich an.

Exkurs Improvisationstheater

Improvisationstheater (oft auch kurz Improtheater) ist eine Form des Theaters, bei dem improvisiert wird, d.h. es wird eine oder es werden mehrere zuvor nicht einstudierte Szenen gespielt. Die Spieler:innen kommen auf die Bühne und wissen nicht, was passieren wird. In der Regel bekommen sie ein Thema oder einen Vorschlag aus dem Publikum. Der:die Moderator:in fragt z. B. nach einem Ort, einer Beziehung, einem Beruf, einer brenzligen Situation, nach einem Gefühl, nach Ihrem letzten besuchten Kinofilm. Diese Vorschläge sind dann Auslöser und Leitfaden für die daraufhin spontan entstehenden Szenen. 

Eine Geschichte entsteht aus der Spontanität und gegenseitigen Inspiration der Impro-Spieler, oft fern ab von der Rationalität. Das tägliche Leben wird zur Bühne. Der verneinende Intellekt weicht der Phantasie. 
(Quelle: Improwiki.com)

War dein Alter ein Thema während des Kurses oder während des späteren Spielens in der eigenständigen Gruppe?

Maria beginnt mit Ende 70 mit Improtheater | Pro Aging Welt

Eigentlich nicht. In Wirklichkeit nur insofern, als dass der Kursleiter sich freute, eine „so alte Frau“ dabei zu haben. Und in irgendeiner Improvisations-Reklame hieß es auch: Wir spielen von 18 bis 80 Jahren. Eher anerkennend und: „Toll, dass da jemand so Altes mitmacht.“ Aber in einem negativen Sinn? Das gab es nie.

Warst du die Älteste in der Gruppe?

Ich weiß nicht, wie alt die Ältesten waren, vielleicht 40 oder 50 Jahre. Und ich war schon Ende 70.

Maria, was gefiel dir beim Spielen am besten?

Ich konnte nie so gut schauspielern und deshalb hat es mich auch gereizt. Eigentlich komisch, dass es einen reizt, wenn man es nicht kann.

Mir gefiel gut, dass der Kursleiter genaue Anweisungen gab. Sein Schritt-für-Schritt-Aufbauen der Übungen und die kleinen Sachen, die wir dann gespielt haben, fand ich immer gut. Er beschrieb es genau, so dass ich als Mensch mit nicht so viel Fantasie… Ich bin ja eher der pingelige Typ… Für mich war es gut, eine genaue Anweisung zu haben, wie verhalte ich mich jetzt – in welcher Situation. So steht eine gewisse Körperhaltung für bestimmte Emotionen (z. B. Kopf hoch: selbstbewusst oder dominant). Wenn eine „Halb“-Anleitung vorhanden ist, dann komme ich gut mit.

Oder, was der Kursleiter auch lobte, war beim Sich-Aufwärmen, beim Anspielen: Da hatte ich es relativ leicht, also ohne große Schwierigkeiten. Da meinte er zu den anderen: „Mensch, wenn Maria es schafft, dann müsst ihr das doch auch schaffen.“

Nach dem Training fuhr ich oft nach Hause und dachte: „Eh, das hättest du doch jetzt so spielen können oder, hättest du das doch so gemacht.“

Vielleicht gefiel es mir auch, weil es nur kurze Spielsequenzen sind. Da wurde kurz etwas gespielt. Bei den Trainingseinheiten wurde es unter Umständen noch Mal oder noch Mal wiederholt. Dann konnte ich es gleich noch einige Male ausprobieren. Ich musste da nicht etwas perfekt können.

Es muss nicht perfekt gespielt sein?

Ja, ich glaube, das war es, was mir so gutgetan hat. Dass nichts wirklich perfekt gespielt werden musste, denn es gibt beim Improtheater kein schlechtes oder falsches Darstellen.

Bist du mit aufgetreten?

Ja, natürlich. Immer beim Improvisationstheater-Festival im Freiburger Stadtgarten. Das war schon gut.

Für ältere Menschen: Was sind die Vorteile des Improvisationstheaterspielens?

Maria beginnt mit Ende 70 mit Improtheater | Pro Aging Welt

Die Interaktion ist wirklich auch für ältere Menschen – das betone ich jetzt extra – gut. Ich hocke zu Hause, ich sitze vor dem Fernseher – ich nehme nur auf. Ich habe ein Buch – ich nehme nur auf. Ich mache eine Handarbeit – dabei bin ich manchmal ein bisschen kreativer. Oder ich bastele etwas aus Papier oder Stoff. Dann bin ich kreativ. Aber im Allgemeinen bin ich immer mit mir selbst beschäftigt. Beim Improvisationstheater ist es anders: Dieses auf eine andere Person Re-agieren und dieses Zurückgeben; darauf achten, was der andere sagt und überlegen, was setze ich jetzt dagegen? Also dieses GEGEN-Spiel, das fehlt im Alleinsein älteren Menschen. Dieses „Er-gänzen“, „Re-agieren“ ist so wichtig, um geistig fit zu bleiben.

Und deshalb finde ich Theaterspielen oder Gespräche wichtig. Gemeinsam etwas machen, damit eine andere Person da ist, auf die re-agiert werden muss.

Hält das schnelle Reagieren beim Improvisationstheater auch fit im Kopf?

Natürlich, das Improvisationstheater erst recht. Wenn ich ein richtiges Theaterstück auswendig lerne, muss ich zwar auch reagieren. Ich muss Text und Darstellung können und mich in einer gewissen Szene geben – also im doppelten Sinne, etwas geben. Und wenn der Andere dieses Mal etwas anderes sagt oder anders betont, dann muss ich das auch wieder anders spielen. Aber im Improvisationstheater, da ist alles – selbst beim Auftritt – ist alles wieder anders. Selbst Stücke, die schon vier Mal gespielt wurden… Es ist jedes Mal neu. Und insofern hält es natürlich fit. Es hält viel fitter als Bücher lesen oder anderes.

Wie viele Jahre hast du Improtheater gespielt?

Es waren vielleicht 5 – 6 Jahre, in denen ich Improvisationstheater gespielt habe – zusammen mit den Kursen. Irgendwann wurde ich dann träger oder älter… Ich müsste extra am Mittwochabend nach Freiburg und anschließend wieder Heim fahren. Das ist dann schon eine Strecke (Anmerkung der Redaktion: je 45 Min. Hin- und Rückfahrt).

Fazit der Interviewerin

Egal, wie alt eine Person ist, etwas Neues anfangen ist immer möglich. Wichtig ist der 1. Schritt sowie Interesse oder Begeisterung für die Sache. In diesem Sinne: Los geht´s!

Wenn ihr jetzt auch Interesse oder Lust bekommen habt, Improtheater zu spielen – hier findet ihr viele Informationen zum Thema (auch über Gruppen in eurer Nähe) .

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Aktualisiert am 10. Dezember 2022

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