Altersscham kann entstehen, wenn… erste graue Haare, Altersflecken, Schlupflider, Tränensäcke und…sichtbar werden. Dazu kommen eventuell Bemerkungen von Freunden oder Bekannten, wie: Geht´s dir gut? Du siehst heute irgendwie nicht so frisch aus.

Einige Menschen können entspannt damit umgehen, weil sie wissen, dass das Älterwerden und das entsprechend veränderte Aussehen ein ganz natürlicher Prozess sind. Andere wiederrum brechen in Panik aus und schämen sich. Erste graue Haare werden durch Herausreißen entfernt, Altersflecken gebleicht und Falten weggeschminkt. Und danach? Einzelne graue Haare lassen sich locker herausreißen. Doch wie ist es mit dem Nächsten und dem Übernächsten. Wer möchte schon mit Haarbüscheln auf dem Kopf herumlaufen? Und was geschieht mit Schlupflidern und Tränensäcken? Also werden die Haare gefärbt und alles andere behandelt, um weiterhin jung und gepflegt auszuschauen…

Einfluss des äußeren Diktats

Altersscham | Pro Aging WeltDoch, wer definiert, wie jemand jung oder jugendlich und gepflegt aussieht? Die Werbung? Die Gesellschaft? Das soziale Umfeld? Von klein an werden Menschen in bestimmte Schubladen gesteckt. Zudem spielen Unternehmen aus Profitgründen mit Angst und Scham unsicherer Menschen. Sie fördern diese bzw. nutzen sie aus, um die eigenen Produkte zu verkaufen. Durch das Darstellen auf Werbeplakaten und in -Videos wurde suggeriert, dass junge Menschen glücklicher oder hipp sind. So haben wir verinnerlicht, dass jüngeres Aussehen erstrebenswert ist.

Unglaubliche 11.100.00 Treffer ergab die Suche nach „Wie sehe ich jung aus“ in der größten Internet-Suchmaschine. Die Ergebnisse beschäftigen sich mit Anti Aging-Tipps; Ratschlägen, um das biologische Alter zu senken; Outfit-Tipps für jüngeres Aussehen. Doch worum geht es dabei wirklich? Warum besteht das Bedürfnis, jünger auszusehen als es der Realität – dem aktuellen Status – entspricht? Auf diese Frage fand ich im Netz keine Antwort (Stand 7.3.2021).

In einer durch Medien und Werbung auf Leistung und äußere Perfektion getrimmten Gesellschaft gelten jugendliche und makellose Körper als ästhetisches Ideal. Zeichen der äußerlichen Degeneration werden verschwiegen, kaschiert oder korrigiert, um dem Vergleich mit der Jugend möglichst lange standzuhalten. Denn jüngeres Aussehen ist ein Zeichen von Vitalität, Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit. Häufig bedeutet es Vorteile, u. a. im Berufsleben und bei der Partnersuche. Wer möchte schon benachteiligt werden? Das Spiel mit der Angst und der Altersscham um einen z. T. imaginären Verlust funktioniert: In der Werbung, um mehr Umsatz zu generieren. In der Gesellschaft, z. B. bei der Bewertung oder Einschätzung des Gegenübers, bei Vertragsabschlüssen, bei Versicherungen. So beginnen älter werdende Menschen sich zu schämen – aufgrund ihres natürlichen Aussehens.

Wie entsteht Altersscham?

„Scham entsteht in sozialen Situationen, in denen etwas, das man lieber verbergen möchte, öffentlich wird. […] Die soziale Umwelt ist dabei subjektiv bedeutsam, meistens bestehen emotionale Beziehungen zu den Anwesenden.“ (Quelle: netdoktor.de Johanna Martina Dorsch, 30.10.2015)

Also empfindet der Mensch für sich allein keine Scham. Erst in der Interaktion bzw. dem Vergleich mit anderen und dem Bewusstsein für das eigene andersartige Verhalten oder Aussehen kann Scham entstehen. Ja, ältere Menschen sehen anders aus als jüngere. Und Jüngere sehen anders aus als Ältere. Doch schämen sich Jüngere, weil sie kein älteres Aussehen haben? Nein, denn Scham erfordert das Bewusstsein des eigenen Nichtgenügens, einer Unfähigkeit. Somit konnte Age Shaming erst durch die Idealisierung der Jugend entstehen – durch die negative (Selbst-)Bewertung von Älteren.

„Wenn ich alt bin, will ich nicht jung aussehen, sondern GLÜCKLICH.
Unbekannt

Warum kaschieren Menschen ihr Alter?

Senior mit rotem Halstuch

Eine negative Selbstbewertung führt zu dem Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben. Das eigene Alter wird als peinlich bewertet und wahrgenommen. Wer sich schämt, strebt also danach sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Ziele sind Anerkennung oder eine Gruppezugehörigkeit. Dadurch fühlen sich Menschen sicherer. Dafür wird Einiges in Kauf genommen bzw. investiert – auch die Verleugnung und das Verbergen des eigenen Alters.

Vorurteile gegenüber dem Alter

Gedanken an ältere Generationen sind oft mit Vorurteilen verbunden. Eine „Person in einem gewissen Alter“ kann nicht mehr mit den neuesten Trends und Innovationen mithalten. Wer ab einem bestimmten Alter an die eigene Zukunft denkt, hat Angst davor, sich nicht mehr weiterzuentwickeln. Doch, wer das eigene Altern ablehnt bzw. kritisch betrachtet, der kann nicht erwarten, dass andere es akzeptieren.

„Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
Franz Kafka

Wie lässt sich Altersscham vermeiden?

Wichtig ist, glücklich und zufrieden zu sein – egal in welchem Alter! Doch wie gelingt das, wenn man nicht eins mit sich ist, sondern sich selbst (und sein Alter) verleugnet, sich nicht so akzeptiert, wie man wirklich ist?

Vielleicht hilft es, sich die Frage zu stellen: Folge ich dem Mainstream oder den Vorgaben anderer, weil ich zu einer Gruppe dazu zugehören möchte oder andere beeindrucken möchte? Oder färbe ich mir die Haare und gehe zum Schönheitschirurgen, weil ich mir selbst gefallen möchte? Wie sehr bin ich von äußeren Bildern aus der Werbung u. a. beeinflusst?

Beim Aussehen, egal in welchem Alter, gibt es kein richtig oder falsch. Scham ist unangebracht. Jeder Mensch ist individuell und es gibt kein perfekt. Denn das Urteil darüber, was gefällt, liegt im Auge des Betrachters und wird rein subjektiv getroffen. Eine Person findet sich mit grauen – eine andere mit gefärbten – Haaren schön. Wichtig ist, dass die Person sich wohl fühlt. Dies ist dauerhaft nur erreichbar, wenn weder einem äußeren Diktat noch externen Vorgaben (Werbung, Ehepartner, Freunde etc.) gefolgt wird. Der andere Weg würde bedeuten, sich selbst zu verleugnen, sich selbst gegenüber intolerant zu sein, sich nicht zu akzeptieren, sich in einen mentalen Käfig sperren zu lassen.

Deshalb, fühle in DICH hinein, hinterfrage deinen aktuellen Zustand und stellt ihn in Frage.
Letzt endlich geht es darum, dass DU glücklich und zufrieden bist!

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Veröffentlicht am 7. März 2021

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