Jamies Bondie 007 – NIE zu ALT
Diese Geschichte als Audiodatei (Dauer ca. 10 Min.):
„Was mache ich nur hier“, dachte sich Jamies Bondie (aus markenschutzrechtlichen Gründen nutzt der berühmte Geheimagent seiner Majestät 007 in dieser Geschichte einen seiner Alias), als er, auf seinem Rollator gestützt, durch die Gänge der V.I.P.-Seniorenresidenz schlurfte. Sein Rollator war keineswegs Tarnung, sondern ein für seine Fortbewegung nützliches Hilfsmittel. Schließlich war der Geheimagent 007 seiner Majestät schon in die Jahre gekommen.
Sein Auftrag war ein geheimes Treffen zwischen Alt-Kanzlerin Angela Merkel, dem ehemaligen französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Jens Stoltenberg (Ex-NATO-Generalsekretär) in einer Luxus-Seniorenresidenz für den britischen Geheimdienst zu beobachten. Er sollte möglichst viele Informationen an den Premier von Großbritannien und seinem engsten Kader melden. Selbstverständlich erfolgte die Berichterstattung über Miss Moneypenny.
Bereits vor dem Eintreffen der Politiker hatte sich Jamies in seiner luxuriösen Wohnung eingerichtet. Von hauseigenem Theater, kleinem Spielkasino über verwinkelter Bibliothek bis zu vielseitigem Wellnessbereich bot die Residenz alles, was sein alterndes Herz begehrte. Die kleine Bar im Keller wurde bald zu seinem abendlichen Lieblingsort.
Beobachtung beim Dinner
Gerade war er auf dem Weg in das 4-Sterne-Restaurant, wo er sich einen Tisch in einer dezenten Ecke hatte reservieren lassen. Da er aufgrund seines ereignisreichen, lauten Lebensstils mit etlichen Explosionen in unmittelbarer Nähe schwerhörig war, hatte er seine KIND-Hörgeräte von Q, seinem Quartermaster, mit einer besonderen Funktion ausstatten lassen. Das Hörgerät ließ sich so einstellen, dass in einem Umkreis von 1 km explizit lokalisierte Gespräche für seine Ohren deutlich hörbar waren. Zudem wurden die Unterhaltungen aufgezeichnet und direkt auf sein Laptop und an Miss Moneypenny übertragen.
Der direkte Blick auf die Alt-Kanzlerin offenbarte, dass diese sich an der Merkel-Raute versuchte. Dies jedoch misslang, weil ihre Arthritis gezeichneten Finger nicht zueinander fanden. Sie gab schließlich auf, legte ihre Hände aufeinander und setzte ein vorsichtiges, wachsames Lächeln auf. Dem etwas jüngeren Macron krönte ein leicht verrutschtes Toupet. Jens Stoltenberg streckte seine langen Beine mit einem Seufzer unter den Tisch. Dieser befand sich direkt am offenen Fenster mit zusätzlichem Abstand zu anderen Tischen. Noch bevor der 1. Gang serviert wurde, steckten die drei ihre Köpfe zusammen. Die sichtbar lebhafte Diskussion mit etlichen Gesprächsunterbrechungen seitens Merkel und Macron und einem weise nickendem Stoltenberg wurde durch das Servieren des Hauptganges unterbrochen. Jamies Bondie bedauerte, dass er selbst nichts essen konnte, da seine Kaugeräusche im Ohr das Gespräch übertönt hätten. Er nahm sich vor, sich zumindest von Hauptgang und Dessert eine kleine Portion in seine Wohnung bringen zu lassen. Das etwas ruhigere Gespräch nahm beim Dessert Fahrt auf. Halblaute Ausrufe wurden sowohl von konsternierten, neugierigen Blicken der anderen Gäste als auch Merkel´s Zischlauten „Sssccchhh“ begleitet.
Es ging darum, eine geplante Friedensvereinbarung zwischen China und der Sowjetunion zu vereiteln. Doch mit welchen Details: Was, wann und wie? Für diese Informationen reichten die Inhalte des mittäglichen Gesprächs nicht aus. Zurück in seiner Wohnung wertete er in Ruhe die konspirative Unterhaltung aus; fand jedoch keine neuen Anhaltspunkte.
Jamies Bondie entdeckt neuen Gast
Jamies Bondie beschloss sich ins Foyer zu setzen. Von dort aus hatte er nicht nur die Wohnungstüren von Merkel und Macron, deren Wohnungen sich im Erdgeschoß befanden, im Blick, sondern zudem den Eingang. Hinter der Tageszeitung bezog er im bequemen Sessel Stellung. Wie früher favorisierte er Aktion, doch hier war Geduld gefragt. Nach einer Stunde ging er nach draußen, um sich die Beine zu vertreten. Wie zufällig schob er seinen Rollator im Park in Richtung der Wohnung von Angela Merkel. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie der Prototyp eines schwarzen Aurus Prezidents direkt vor dem Eingang hielt. Vier breitschultrige Männer sprangen heraus und positionierten sich schützend seitlich der Limousine. Leider konnte Jamies Bondie sich nicht schnell genug umdrehen, um zu erkennen, wer aus der luxuriösen Karosse stieg. „Auf jeden Fall ein interessanter Gast“, dachte sich Jamies. Darum würde er sich später kümmern. Die gute Gelegenheit des offenen Fensters von Angela´s Wohnung wollte er sich nicht entgehen lassen. „Bedrohung“, „Dringlichkeit“, „Macht“ erfassten seine Ohren, bevor das Fenster geschlossen wurde. Schade, dass er sein Hörgerät auf dem Zimmer gelassen hatte.
Als Nächstes wollte er herausfinden, wer der neue, vermeintlich hochrangige Gast war. Dazu stellte er sich auf die untere Plattform seines Rollators und aktivierte den Motor. Ähnlich einem Segway, doch stabil ausbalanciert, bewegter er sich durch die Gänge der Seniorenresidenz. Kaum aus dem Fahrstuhl im obersten Stockwerk herausgefahren, rammte er von hinten zwei dieser muskulösen Männer in schwarzen Anzügen, die er vor kurzem noch im Eingangsbereich gesehen hatte. Schnell stellte er den Motor aus und versuchte unauffällig in die entgegengesetzte Richtung zu schlurfen. Dabei bemerkte er, wie die Männer russisch fluchend ihre Fersen rieben. Bei einer körperlichen Auseinandersetzung würde er – im Gegensatz zu früher – klar den Kürzeren ziehen. Immerhin wusste er jetzt, auf welchem Stockwerk der vermutlich russische V.I.P.-Senior seine Unterkunft hatte. Nicht nur das: Es konnte nur die letzte Suite am Ende des Südflügels sein, denn diese war die Größte im gesamten Komplex. Schließlich standen ihm alle Daten der Seniorenresidenz – Dank seinem Computer-Hacker – zur Verfügung. Diese konnte er einfach auf der oberen Ablage seines Rollators, einem getarnten Bildschirm, einblenden. Von der Seite waren die Daten dank einer Folie nicht einsehbar.
Geheimagent 007 in bewährter Aktion
Wieder in seiner Wohnung schaute er sich die Kamera-Aufnahmen des besagten Flurs an. Konnte das…? Konnte das wirklich, Wladimir Putin sein, der nach Verlassen des Fahrstuhls in einem Rollstuhl den Gang entlang geschoben wurde? Das Bild war zwar leicht gepixelt. Trotz einem kaum noch erkennbaren Haarkranz, einem fülligeren Körper und einer leicht eingesunkenen Figur… – Es war unverkennbar Putin, der sich in seine Suite bringen ließ. Wenn diese „blasse Motte“ persönlich hier erscheint, muss es sich um ein Thema von größter Bedeutung handeln, dachte sich Jamies Bondie. Das sollte der Premier schnell erfahren
Er sollte dranbleiben, lautete sein Auftrag. Diese Mission versprach wieder etwas Spannung und Aktion in seinen Alltag zu bringen. Jamies Bondie freute sich, sehnte sich jedoch wehmütig nach körperlicher Agilität früherer Zeiten. Der Geheimagent ging davon aus, dass die „Europäer“ bereits von Putins Ankunft erfahren hatten. Wo könnte deren Treffen stattfinden? Er beobachtet von seinem Zimmer aus die Live-Kamera-Aufnahmen. Endlich tat sich etwas! Die „Europäer“, gekleidet mit Wanderschuhen, trafen sich nach und nach im Foyer. Sie marschierten so zügig wie möglich durch den Park in Richtung des angrenzenden Waldes. Schnell eilte Jamies Bondie auf seinem Rollator stehend hinterher. Beim Übergang zum Wald hatte er Merkel, Stoltenberg und Macron fast eingeholt. Das war auch gut so, denn im Wald wurde das Gelände uneben. Seinen Rollator konnte er zum Teil nur mit Mühe über die Baumwurzeln schieben. Da die drei „Europäer“ vorsichtiger und dadurch langsamer gingen, konnte er sich hinter Bäume versteckend den Anschluss halten. Auf einer Lichtung mit Bänken ließen sich die Drei nieder. Es dauerte nicht lange, da tauchte aus der anderen Richtung Wladmir Putin aus dem Dickicht auf. Erregt sprang Macron auf und gestikulierte wild mit Händen und Armen. Stoltenberg mahnte zur Ruhe und Merkel übernahm das Wort.
Geheimagent 007: Wertvoll - auch im Alter
„Shut up!“ (Haltet den Mund!), tönte es laut von der sich im Laufschritt nähernden Kamala Harris. Mit in den Hüften gestemmten Fäusten platzierte sie sich zwischen dem ehemaligen russischen Präsidenten und Merkel, Macron sowie Stoltenberg. „Ihr alten Strippenzieher könnt es nicht lassen“, erregte sich Harris. „Mit euren Machtspielchen verhindert ihr noch meine Wahl als amerikanische Präsidentin“, ihre Stimme überschlug sich fast. Die „Europäer“ sanken in sich zusammen. Beschämte Ausdrücke zeichneten ihre Gesichter. Putin wurde eilig von seinen Begleitern weggeschoben. Das herrische Dawai, Dawai wurde leiser und verschwand dann.
„Dank Jamies Bondie und des britischen Premiers“, bemerkte Harris, „waren wir jederzeit bestens informiert“. 007 streckte seinen geduckten, schmerzenden Körper und schritt – Stolz im Gesicht – vorsichtig auf die Lichtung. Wer hätte gedacht, dass er auf seine alten Tage der gesamten Menschheit von immer noch unschätzbarem Wert sein würde. Wieder einmal wurden die Bösen von Geheimagent 007 besiegt – wenn auch mit Unterstützung.
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Veröffentlicht am 10. Juni 2021
Hi Hanna war echt super und total spannend so dass ich gerne noch weitergelesen hätte. Eine Neue Idee Senioren Krimi oder Bondie ermittelt aus dem Seniorenheim. Ic h finde das hat Potential. Damit könntest du in Seniorenheimen in die lokalen Blätter kommen und so erste Kontakte knüpfen. Super Idee
Wolf, schön, dass dir die Geschichte gefallen hat. Vielen Dank 🙂